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Neue Dimensionen der digitalen Souveränität: Abschlussevent der 100-Tage-Challenges und trilaterales MoU zwischen Deutschland, Frankreich und den Niederlanden

13.12.24 · Digitale Transformation
Jenna Brinning
5 Min. Lesezeit
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Deutschland, Frankreich und den Niederlanden bei den 100-Tage Challenges
Aller guten Dinge sind drei. Foto: Rainer Keuenhof

Auf dem Abschlussevent der 100-Tage-Challenges präsentierten Entwicklungsteams ihre Erfolge und feierten den Beitritt der Niederlande zur digitalen Kooperation.

Vom bilateralen Abkommen zur europäischen Kooperation

Die digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung gewinnt in Zeiten technologischer Abhängigkeiten zunehmend an Bedeutung. Im Dezember 2024 markierte das Abschlussevent der deutsch-französischen 100-Tage-Challenges am GovTech Campus Berlin einen wichtigen Meilenstein in der europäischen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Die Veranstaltung stand dabei sowohl im Zeichen erfolgreicher technischer Entwicklungen, als auch im Licht einer strategischen Erweiterung: die Niederlande treten dem bestehenden Kooperationsrahmen bei und erweitern die bilaterale zur trilateralen Partnerschaft für digitale Souveränität.

Die Initiative basiert auf dem im Februar 2024 unterzeichneten „Memorandum of Understanding“ (MoU) zwischen dem CIO des Bundes, Dr. Markus Richter, und der Leiterin von Frankreichs interministerieller Behörde für Digitales (DINUM), Stéphanie Schaer. Sie demonstriert, wie konkrete Zusammenarbeit zu greifbaren Ergebnissen führen kann. Mit dem Beitritt der Niederlande gewinnt diese strategische Partnerschaft nun weiter an Dynamik und unterstreicht den gesamteuropäischen Ansatz zur Stärkung digitaler Unabhängigkeit.

ZenDiS und DINUM präsentieren Resultate des 100-Tage Challenges
ZenDiS x DINUM. Foto: Rainer Keuenhof

Hintergrund der „100-Tage-Challenges“

Im Kern verfolgen die Herausforderungen einen pragmatischen Ansatz: In kurzen, fokussierten Entwicklungszyklen sollen konkrete Open-Source-Lösungen entstehen, die unmittelbar in den Verwaltungen beider Länder eingesetzt werden können. Dieser agile Ansatz unterscheidet sich bewusst von langwierigen Großprojekten und setzt auf schnelle, sichtbare Erfolge.

Drei im Mai 2024 gestarteten Challenges adressierten gezielt Bereiche, in denen souveräne Alternativen zu proprietären Lösungen besonders dringlich sind: länderübergreifende Authentifizierung, KI-gestützte Kollaborationswerkzeuge und sichere Dokumentenbearbeitung. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Fachexperten aus beiden Ländern entstanden dabei Lösungen, die bei der Erfüllung anspruchsvoller Verwaltungsanforderungen technisch überzeugen.

Vorstellung der Ergebnisse

Die Präsentationen der drei Challenge-Teams zeigten Ergebnisse, die konkrete Antworten auf zentrale Herausforderungen der digitalen Souveränität liefern.

Das erste Team stellte eine länderübergreifende SSO-Integration vor, eine kritische Komponente für die behördenübergreifende Zusammenarbeit. Die Lösung ermöglicht es deutschen Verwaltungsmitarbeitern, sich mit ihren bestehenden Zugangsdaten direkt in der französischen Kollaborationsplattform „La Suite" einzuloggen. Damit entfällt die Notwendigkeit separater Accounts, während gleichzeitig Sicherheitsstandards gewahrt bleiben. Die Produktverantwortlichen betonten besonders die Erweiterbarkeit des Systems, das künftig weitere europäische Partner einbinden kann.

Präsentationen der 100-Tage-Challenges
Foto: Rainer Keuenhof

Im zweiten Projekt demonstrierten die Entwickler ein KI-gestütztes Transkriptions- und Zusammenfassungssystem für souveräne Videokonferenzen. Die besondere Stärke dieser Lösung liegt in der vollständigen lokalen Verarbeitung sensibler Daten – ein entscheidender Vorteil gegenüber Cloud-basierten Angeboten großer Technologie-Konzerne. Die Präsentation zeigte die praktische Anwendung anhand einer simulierten behördenübergreifenden Konferenz und unterstrich die Zeitersparnis bei der Nachbereitung von Besprechungen.

Schließlich präsentierte das dritte Team ein neuartiges kollaboratives Notiztool, das nahtlose Zusammenarbeit auch über Ländergrenzen hinweg ermöglicht. In der Demonstration überzeugte die Lösung mit ihrer intuitiven Benutzeroberfläche und vollständiger Kontrolle über den Datenspeicherort. Die Entwickler erläuterten zudem die Integration mit bestehenden Verwaltungssystemen und die Verwendung offener Standards zur Sicherstellung langfristiger Interoperabilität.

Bemerkenswert an allen drei Projekten war nicht nur ihre technische Qualität, sondern auch die zügige Umsetzung innerhalb des 100-Tage-Zeitrahmens.

100-Tage-Challenges presentations
Foto: Rainer Keuenhof

Vorträge und Zukunftsperspektiven

Neben den Präsentationen der beteiligten Teams boten zwei weitere Vorträge Einblicke in die strategischen Entwicklungen im Bereich digitaler Souveränität auf europäischer und nationaler Ebene.

Vertreter der EU-Kommission skizzierten aktuelle Pläne zur Förderung kooperativer Ansätze im digitalen Bereich. Dabei wurde die Bedeutung länderübergreifender Projekte wie der 100-Tage-Challenges betont, denn sie seien ein Vorbild für effiziente europäische Zusammenarbeit. Die Kommission plane, ähnliche Kooperationsformate künftig stärker zu unterstützen und in bestehende Förderprogramme zu integrieren. Europas technologische Unabhängigkeit soll damit gezielt vorangetrieben werden.

Stéphanie Schaer
Foto: Rainer Keuenhof

Auch der Vortrag der KI-Projektgruppe des Bundesministeriums des Innern stieß auf reges Interesse. Vorgestellt wurden ein Konzept und Roadmap für ein zentrales Large Language Model (LLM), das speziell für den Einsatz in deutschen Bundesbehörden entwickelt wird. Dieses Modell soll nicht nur europäische Datenschutz- und Sicherheitsstandards erfüllen, sondern auch auf die spezifischen Anforderungen der Verwaltungssprache und -prozesse optimiert sein. Die Präsentation machte deutlich wie Souveräne KI-Lösungen die Verwaltungsarbeit spürbar erleichtern können, und zwar ohne neue technologische Abhängigkeiten zu schaffen.

Die Kernbotschaft des Tages war eindeutig: Digitale Unabhängigkeit entsteht nicht durch Abschottung, sondern durch strategische Partnerschaften und gemeinsame Entwicklung.

Trilaterales MoU: Neue Dimension der Zusammenarbeit

Höhepunkt des Abschlussevents war die Unterzeichnung eines trilateralen „Memorandum of Understanding“, mit dem die Niederlande offiziell dem bestehenden Kooperationsrahmen zwischen Deutschland und Frankreich beitreten.

Unterzeichnung des trilateralen Memorandum of Understanding
Unterzeichnung des „Memorandum of Understanding“. Foto: Rainer Keuenhof

In ihrer Ansprache hob die niederländische Delegation die Erfolge der vorgestellten 100-Tage-Challenges hervor und zeigte sich beeindruckt von der Effizienz des Formats. Gerade kleinere Länder könnten von solchen Kooperationen profitieren, da Ressourcen gebündelt und Entwicklungen beschleunigt würden.

Das neue Abkommen sieht somit vor, die erfolgreichen Challenge-Tage fortzuführen und um zusätzliche, gemeinsam identifizierte Schwerpunktthemen zu erweitern. Bereits im ersten Quartal 2025 starteten drei neue Challenges, an denen Entwicklungsteams aus allen drei Ländern beteiligt sind. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Lösungen, die länderübergreifende Verwaltungsprozesse vereinfachen und die gemeinsame Nutzung offener Infrastrukturen fördern.

Mit dieser Erweiterung gewinnt die ursprünglich bilaterale Initiative deutlich an Gewicht und könnte sich zum Knotenpunkt einer breiteren europäischen Bewegung für digitale Souveränität entwickeln. Die Unterzeichnung des MoU sendet ein klares Signal:

Strategische Partnerschaften sind der Schlüssel zur Stärkung digitaler Souveränität in Europa.

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